Lesenswert: Wer nichts hat, kann alles geben

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Karl Rabeder, der Autor des Buches, ist den meisten von uns auf den zweiten Blick sehr wohl aus den Medien bekannt. "Verkaufte" er doch im Herbst 2010 seine Villa über Lose und ging damit – mal bewundert, mal als vermeintlich rechtbrechend verschrien - durch die Presse. Der Erlös ging übrigens, wie nahezu sein ganzes Vermögen, an die von ihm ins Leben gerufene Entwicklungshilfe-Organisation MyMicroCredit. Heute lebt Rabeder in den Tiroler Bergern, in einer 19 m2-Hütte, mit/von 1.000 € im Monat. Glücklicher als je zuvor!

Schon zu Beginn seines Buches bringt er ein Bild, ein Symbol für die westliche Welt, was tief im Leser verankert bleibt. Zumindest ist es ganz tief in mir verankert geblieben.
Er vergleicht die Gesellschaft mit einer Schafherde, die Menschen also mit Schafen, die Machtpositionen, die oberste Führungsriege (im Job, im Verein, in der Familie, ….)  mit Schäfern, die Befehlsausführenden (mittleres Management, wenn man so will …) als die Hütehunde. Und die Herde bewegt sich in diesem Spiel nicht ihrer Natur entsprechend, sondern nach den Vorgaben der obersten Führungsriege. Nach Rabeder sollte es Ziel sein, ein Adler zu werden, der außerhalb der Reichweite derer fliegt, die so gerne die Regeln bestimmen würden.

Zweidrittel des Buches widmet der Autor seinem Leben, seiner Kindheit, dem Aufwachsen, der Familie, den familiären Strukturen, den Prägungen, die er dadurch erhalten hat, seiner steilen Karriere. Der Cut in seinem Leben, das neue Leben, die neue Lebensphilosophie kommt in den letzten 30 Seiten des Buches zum Höhepunkt. Wie gerne hätte ich darüber noch 100 Seiten mehr gelesen. ….

Rabeder zitiert Perikles: Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut. Die meisten Schafe einer Herde halten sich für glücklich. Und Mut haben nach Rabeder eher die Menschen, die die Sicherheit in ihrem Leben so hoch bewerten, dass sie lieber unglücklich leben. – Für die vermeintliche Sicherheit. Lieber schön in der Sicherheit der Herde bleiben, anstatt das Glück und die Freiheit zu wählen. Und hier geht es ausdrücklich nicht unbedingt nur um radikale Lebensveränderungen; der Autor motiviert zu kleinsten Schritten in die richtige Richtung. – In Richtung Freiheit, Selbstbestimmung und Glück.

Der Autor stellt uns eine spannende Aufgabe. – Die Aufgabe, aufzuschreiben, was unsere Werte sind, was uns im Leben wichtig ist, Spaß macht. Diese Punkte sollen in eine Reihenfolge nach Wichtigkeit gebracht werden. So kommt bestimmt auch die Arbeit, der Job als Wert vor, aber wahrscheinlich nicht direkt unter den ersten Punkten. Auf der anderen Seite rät Rabeder uns, schriftlich zu fixieren, wie ein ganz normaler Arbeitstag abläuft. Beim Lesen fiel mir dazu spontan ein, wie wichtig mir heute mein morgentliches Frühstückritual ist: ein Latte Macchiato mit warmer, aufgeschäumter Milch, eine gute Scheibe Brot aus dem Reformhaus, meine beiden Katzen auf dem Schoß und den Beinen und ein halbes Stündchen Ruhe für uns. Dann erst kann der Tag gebührend starten. Als ich noch nahezu 7 Tage, 24 Stunden gearbeitet habe, bin ich ohne Frühstück aus dem Haus, ab zum Bäcker, und dann Frühstücken auf der Autobahn. …. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wie weit die wichtigsten Werte und die Praxis oft auseinander klaffen.

Auf die Frage nach dem Sinn seines Lebens antwortete Karl Rabeder übrigens:  S  E  I  N ! Hier schließt sich für mich auch wieder schön der Kreis zum Yoga.

Auch wenn ich mich teilweise regelrecht durch die Kindheit und die Familiengeschichte des Autors kämpfen mußte, so hat dieses Buch so wertvolle Gedankenanstöße, dass sich das Lesen auf jeden Fall lohnt. Kurzweilig geschrieben, viele Stellen mit sehr viel Tiefgang.

Herzlichst. Eure Ute Schwartz