Das Mantra OM – wir alle haben davon gehört, haben es vielleicht auch schon im Gruppenunterricht gemeinsam getönt, wir sind dem Sanskrit-Zeichen auf T-Shirts, Schmuck, Postkarten begegnet, haben es erkannt oder auch nicht, ABER WAS IST DENN JETZT DIESES OM?
Ganz allgemein: Mantren sind Gebetsformeln, Instrumente, Klangfolgen, die machtvoll sind, die das Vermögen haben, den Geist zur Ruhe zu bringen. Mantra setzt sich aus manas und trajate zusammen. Der Geist wird befreit, sprich, kommt zur Ruhe. – Und sollen mit fortgeschrittener Praxis in einen höheren Bewusstseinszustand führen. Hierzu geht Uwe Bräutigam in einem Aufsatz noch tiefer. Er schreibt, dass mantra auch auf überwinden zurückgeführt werden kann. Überwunden werden soll der Kreislauf der Wiedergeburten.
Bei der Rezitation eines Mantras kommt es primär auf die saubere richtige Betonung an, auf den Klang, auf die im Körper erzeugten Vibrationen. – Das Verstehen oder die Übersetzung kommt von der Priorität her nach dem Klang.
Ein Mantra kann laut, flüsternd oder im Geiste rezitiert werden. Der Fachbegriff für die Rezitation ist japa.– Die machtvollste Form der Rezitation ist die geistige.
Mit Klang ist nicht der Klang gemeint, der Euch über Eure Ohren erreicht, sondern ein innerer Klang.
Uwe Bräutigam beschreibt in einem Aufsatz über die Macht des Wortes ‚Einführung in die hinduistische Mantra Lehre’, dass sich in jedem Wort, in jedem Mantra, 4 Stufen des Klangs finden:
- Der ursprüngliche Klang (para). Urklang, der sich noch nicht ausgedrückt hat.
- Der innere Klang (pasyanti).
- Der innere Klang, den die Yogis aber im Samadi hören können.
- Der grobe Klang, den jeder Hörende über die Ohren aufnimmt.
Im Speziellen schauen wir uns die sogenannten Bija-mantras an. Bija heisst übersetzt Saatkeim . – Gemeint sind einzelne Silben, zu denen auch das OM gehört. Diese kurzen Silben aber stehen für ALLES, für das ganze Universum.
Stellt Euch einen Apfelkern vor. Klein und unscheinbar, selten mitgegessen, also Abfall. Aber dieser kleine Keim trägt das Wissen, das ganze genetische Erbgut eines imposanten, wuchtigen Apfelbaumes in sich.
Genau so ist es mit dem OM. Kurz, aber das komprimierte Wissen des Universums in sich tragend.
In den Upanishaden ist zu lesen: „AUM steht für die höchste Wirklichkeit“. AUM steht für alles, was war und was noch kommt. – Aber auch für das, was jenseits des Vergangenen, Gegenwärtigen und der Zukunft liegt. …
„Das Mantra ist der Bogen, der spirituell Strebende ist der Pfeil und der Herr das Ziel. Spanne jetzt die Bogensehne der Meditation und werde, ins Ziel treffend eins mit ihm.“
Im Sanskrit-Schriftzeichen AUM kann man vier Teile erkennen, die jeweils eine Bedeutung haben, einen Bewusstseinszustand widerspiegeln:
A: Wachheit – Neuanfang, Beginn, Öffnung
U: Traum – auf dem Weg sein, Umbruch, Wandel
M: Tiefschlaf – zur-Ruhe-Kommen, Rückkehr, Ende
Der Punkt: Die unhörbare Dimension von OM (= Turja) – nicht fassbar, nicht zu beschreiben.
OM ist DIE Ursilbe, der Urklang der gesamten Schöpfung, das Absolute, der ursprünglichste und der heiligste Klang, das Ur-Mantra, das Göttliche repräsentierend.
Das OM und die OM-Rezitation nach Dr. Srikrishna:
In diversen Fortbildungen bei Dr. Srikrishna, Arzt und Ausbilder von Yoga-LehrerInnen, gibt es drei Arten, das OM zu rezitieren:
- O lang M kurz
Menschen versammeln sich, Gemeinschaft - O gleich lang wie M
bei der Rezitation von Mantren, bei denen OM
am Anfang des Mantras steht - O kurz M lang
Brücke, um nach Innen zu kommen. Tiefe EA und lange AA, ein sehr guter
Einstieg in Pranayama (Atemtechniken mit Atemanhalten)
Der Klang: sanft – im Fluß – wie Honig fließt – wie eine angeschlagene Glocke – der Klang verschwindet sanft im Nichts.
Die Bauchdecke geht mit der AA nach Innen, das Zwerchfell nach oben (= vollständige AA), dann Bauchdecke entspannen.
Nach längerer Rezitation des OM verzögert sich der Einatemwunsch, der Atem wird sanft und am Ende entsteht eine natürliche Pause. Diese Pause ist nach Dr. Srikrishna das Ziel.
Das OM wird in zahlreichen Quellen als absolute Realität – im Körper zu lokalisieren am Sitz des Dritten Auges – beschrieben. An diesem Punkt zwischen den Augenbrauen vereinigen sich Ida und Pingala, die zweit- und drittwichtigste Energiebahn in unserem Körper, die dann vereinigt zum Scheitelpunkt des Kopfes fließen. Mit dem Ziel der Befreiung.
Von Lama Anagarika Govinda habe ich einmal den Vergleich gelesen, dass das OM wie das Öffnen der Arme sei, um alles zu umarmen, was lebt.
Dr. Tara Michael beschreibt in einem Aufsatz über die ‚Symbole des Yoga’, dass hinter dem A die grobstoffliche Welt, dem U die feinstoffliche Welt und M mit der „kausalen Welt, die die Ursache von allem anderen ist“.
Ich hoffe, ich konnte Euch das OM näher bringen. Und ich hoffe, dass sich dadurch eine Offenheit und Neugierde entwickelt, die uns das OM auch bald schon gemeinsam im Gruppenunterricht rezitieren lässt.
Herzensgrüße.
Eure Ute